Neueste Blogbeiträge

Blogbeitrag vom 17.08.2023
Deepfakes – welche Beweiskraft haben Bild- und Tonaufnahmen noch?
Martin Bangard
I. Was sind Deepfakes und wo liegt der Unterschied zu bisherigen Medienmanipulationen?
Im Zuge der jüngsten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) gehören mittels KI-Technologie generierter Medieninhalte, sog. Deepfakes, neben Textprogrammen wie ChatGBT, zu den prominentesten Vertretern jener technischen Revolution.
Deepfakes haben bereits im Internet für Furore gesorgt und das Vertrauen der Nutzer:innen in die Echtheit von Bildern und Videos stärker in Frage gestellt, als es noch vor wenigen Jahren denkbar war. Zwar ist das Konzept der Manipulation von Bildern, Videos oder Audiodateien so alt wie die jeweiligen Medien selbst. Doch im Gegensatz zu früheren Medienmanipulationen, die oft auf einfacheren Bearbeitungswerkzeugen basierten und eine gewisse technische Expertise erforderten, ermöglichen es Deepfakes praktisch jedem mit einem Computer und Internetzugang, täuschend echte gefälschte Inhalte zu erstellen. Aufgrund der einfachen Erstellung und der großen Zahl an möglichen Erstellern, wird schon heute die Öffentlichkeit mit einer bisher undenkbaren Masse an Deepfakes überflutet.

© Pablo Xavier – KI-generierte Bilder des Papstes in einer modischen Daunenjacke gingen im Internet viral
Gerade für den politischen Meinungsbildungsprozess sind die potentiellen Auswirkungen von Deepfakes bereits öffentlichkeitswirksam diskutiert worden. Auch die rechtlichen Konsequenzen im Falle von möglichen Persönlichkeits-, Urheberrechts- oder Datenschutzrechtsverletzungen haben in der juristischen Fachliteratur größere Aufmerksamkeit erfahren.[1]
Mindestens ebenso relevant für die zivilrechtliche Praxis, bislang aber kaum beachtet, ist die Glaubhaftigkeit von Medieninhalten im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme. Nicht selten entscheidet sich der Ausgang eines Prozesses – rechtsgebietsübergreifend – durch die Vorbringung von Beweisen in Form von Medieninhalten, deren Glaubhaftigkeit nun durch Deepfakes fundamental in Frage gestellt wird. Gerade auch im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes können in Patent-, Marken- oder Designrechtsstreitigkeiten entsprechende Medieninhalte als Beweismittel eine zentrale Rolle spielen.
II. Welche Auswirkungen haben Deepfakes für die gerichtliche Beweisaufnahme?
Zunächst ist festzuhalten, dass derartige Manipulationen teilweise nicht mehr vom bloßen menschlichen Auge erkennbar sind. Im Rahmen eines Zivilprozesses hat dies zunächst Auswirkungen auf den Beweis durch Augenschein, welcher in den §§ 371 ff. ZPO der deutschen Zivilprozessordnung geregelt ist. So scheint es nicht abwegig, dass Bilder, Videos oder Tonaufnahmen, die als Beweis zum Augenschein vorgelegt werden, in ihrem Beweiswert im Rahmen der freien Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO sinken. Auch erscheint es durchaus denkbar, dass derartige Beweismittel von der gegnerischen Seite regelmäßig als Deepfake angezweifelt werden könnten. Aktuell beteuern die Anwälte von Elon Musk bereits in einem gegen Tesla gerichteten Schadensersatzprozess, dass sie nicht die Echtheit eines Video von Musk verifizieren können, in dem er seinen Glauben an die Sicherheit des Tesla-Autopiloten bekräftigt.[2] Schließlich sei er als Person des öffentlichen Lebens laufend Deepfakes ausgesetzt, die im Aussagen in den Mund legen würde, welche er nie getroffen hätte.
Die zuständige Richterin äußerte sich zwar durchaus kritisch bezüglich des vorgebrachten Arguments, es könnte dennoch bereits eine erste Vorschau sein, wie es möglichweise auch bald vor deutschen Gerichten zugehen könnte. Die These, nach der Deepfakes Fotos, Videos etc. vollständig ihrer Beweiskraft entledigt, scheint jedoch auch etwas zu weit gegriffen sein. Aufgrund des Fehlens fester Beweisregeln in der Zivilprozessordnung, wird es von den einzelnen Richter:innen abhängen, wie sehr sie die Glaubhaftigkeit von entsprechenden Medieninhalten einstufen werden. Eine Konsequenz könnte die Hinzuziehung von entsprechenden Sachverständigen sein, wobei aktuell derartiger Sachverstand vergleichsweise rar ist. Fraglich ist somit insbesondere, wie mit potentiell manipulierten Medieninhalten umgegangen werden kann, wenn externer Sachverstand nicht oder nur eingeschränkt verfügbar ist. In solchen Fällen könnte es durchaus denkbar sein, dass der Beweiswert von Deepfake-anfälligen Medieninhalten durchaus sinken wird. Allerdings sind bereits verschiedenste Deepfake-Erkennungssoftwares verfügbar, die entsprechend einfach und vergleichsweise kostengünstig sind.[3] Sollten sich derartige Erkennungssoftwares als verlässlich herausstellen, könnte dies sogar die Beweiskraft von Medieninhalten stärken.
II. Welche Konsequenzen drohen bei der Nutzung von Deepfakes als Beweismittel vor Gericht?
Auch wenn die Mittel neu sind, mit denen Deepfakes erstellt werden, ist die grundsätzliche Konstellation der Manipulation eines Beweismittels nicht neu. Insbesondere kann ein Deepfake, der als vermeintlicher Beweis in einem Gerichtsprozess genutzt wird, unter Umständen als Prozessbetrug – ein Unterfall des Betrugs – gem. § 263 StGB mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.[4] Ferner kann die Erstellung von Deepfakes diverse rechtliche Probleme aufwerfen, wie z.B. einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht.[5] Wobei dies unabhängig von dem Einsatz als manipuliertes Beweismittel der Fall ist.
IV. Fazit und Ausblick
Konsequenterweise wird sich ein:e Richter:in in Zukunft bei der Einschätzung der Glaubwürdigkeit von Fotos, Videos oder Tonaufnahmen weniger auf den eigenen Augenschein verlassen und stattdessen häufiger technische Hilfe und Sachverständige hinzuziehen müssen, wie es die ZPO bereits in § 372 ZPO ermöglicht. Doch die Beweiskraft von Fotos, Videos oder Tonaufnahmen wird wohl zunächst nicht vollständig verschwinden. Vielmehr ist es zu erwarten, dass es auf ein Katz-und Maus-Spiel der Entwickler:innen hinausläuft, wie es z.B. im Bereich der IP-Sicherheit bereits der Fall ist.
So werden die neuen technischen Mittel möglicherweise vor allem zu mehr Aufwand auf allen Seiten bei der Erstellung und Erkennung von derartigen Manipulationen führen. Letztlich wird es entscheidend sein, wie viele Ressourcen die deutsche Justiz bereit ist, in die Aufdeckung von Deepfakes zu investieren und ob die Möglichkeiten zur Aufdeckung von Deepfakes technisch mithalten können.
[1] Lantwin, MMR 2019, 574; Kumkar/Rapp, ZfDR 2022, 199, 212; Schürrmann, ZD 2022, 316.
[2] https://www.reuters.com/legal/elon-or-deepfake-musk-must-face-questions-autopilot-statements-2023-04-26/.
[3] https://www.chip.de/news/Fake-News-Videos-erkennen-Kuenstliche-Intelligenz-analysiert_183371310.html.
[4] Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, § 263 Rn. 340, StGB 6. Auflage 2023.
[5] Deepfakes ZfDR 2022, 199, 205.
Blogbeitrag vom 01.07.2023

Greenwashing in der Werbung – eine Herausforderung für das Lauterkeitsrecht?
Vitus Kirchner
Aspekte wie „Nachhaltigkeit“ oder „Klimaneutralität“ spielen für viele Verbraucherinnen und Verbraucher hinsichtlich einer Kaufentscheidung eine immer bedeutendere Rolle. Die Bevölkerung ist zunehmend für ein verantwortungsvolles Handeln im Zuge des menschengemachten Klimawandels sensibilisiert, sodass die Werbung mit Umweltvorteilen (sog. „Green Claims“[1]) für Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Es verwundert daher nicht, dass einige Unternehmen diese Wirkung auch in unlauterer Weise ausnutzen und einem Produkt den Anschein von Umweltfreundlichkeit verleihen, obwohl tatsächlich keine hinreichende Grundlage dafür besteht (sog. „Greenwashing“[2]). Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, wie Greenwashing nach dem UWG zu beurteilen ist und anschließend der Frage nachgegangen werden, welche Änderungen auf europäischer Ebene zu erwarten sind und ob es solcher überhaupt bedarf.
I. Beurteilung von Greenwashing nach dem UWG
Umweltbezogene Aussagen sind mangels spezifischer Vorgaben an den allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Vorschriften des UWG zu messen. Dabei ist zunächst an die „schwarze Liste“ gemäß § 3 III UWG zu denken. Diese adressiert bisher zwar nicht ausdrücklich umweltbezogene Werbeaussagen, doch könnte etwa ein Verstoß gegen Nr. 2 vorliegen, wenn ein Unternehmen ohne Genehmigung ein Siegel oder Label verwendet, das die Klimaneutralität eines Produktes bescheinigen soll. Ebenso kommt ein Verstoß gegen Nr. 10 in Betracht, etwa wenn „grüne“ Produkteigenschaften besonders herausgestellt werden, die ohnehin gesetzlich vorgeschrieben sind.
Im Rahmen von § 5 UWG und der Beurteilung von irreführenden geschäftlichen Handlungen ist schließlich insbesondere von Bedeutung, wie eine umweltbezogene Aussage nach der Verkehrsauffassung zu verstehen ist. Besonders intensiv hat sich die Rechtsprechung mit dem Begriff der “Klimaneutralität” auseinandergesetzt. Da sich die Richterinnen und Richter in diesen Fällen meist selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen und von ihrem eigenen Verständnis ausgehen, verwundert es jedoch nicht, dass diesbezüglich teils unterschiedliche Rechtsprechung ergangen ist.[3] Überwiegend gehen die Gerichte jedoch von einem strengen Maßstab aus und sehen die Werbeaussage „klimaneutral“ aufgrund seiner Mehrdeutigkeit als erklärungsbedürftig an.[4]
Im Rahmen der Irreführung durch Unterlassen nach § 5a UWG sei zudem bei umweltbezogenen Angaben eine Information darüber, worauf sich ein ausgelobter Umweltvorteil bezieht, „wesentlich“ iSv § 5a UWG. Unscharfe Begriffe wie „klimaneutral“ oder „nachhaltig“ verpflichten daher zu weiterer Aufklärung.[5]
Schließlich lässt sich festhalten, dass bei der lauterkeitsrechtlichen Bewertung nach dem UWG insgesamt eher hohe Anforderungen an umweltbezogene Werbung zu stellen sind. Welche Werbemaßnahmen konkret unlauter sind, bleibt jedoch eine Einzelfallentscheidung.
II. Richtlinienvorschlag der EU-Kommission
Im März 2022 hat die EU-Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU (im Folgenden: Richtlinienvorschlag) vorgelegt.[6] Der Vorschlag verfolgt das Ziel, zu „einer kreislauforientierten, sauberen und grünen EU-Wirtschaft beizutragen, indem Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen und so nachhaltige Verbrauchsmuster zu fördern“.[7] Das Vorhaben der Kommission ist Teil eines ganzen Maßnahmenbündels und bildet eine Folgemaßnahme des so genannten „Green Deals“.[8]
1. Geplante Änderungen
Der Richtlinienvorschlag sieht insbesondere Anpassungen der Richtlinie 2005/29/EG (UGP-RL) vor, die in Deutschland hauptsächlich im Rahmen des UWG umgesetzt ist. Durch elf neue Definitionen (Art. 2 UGP-RL), vier Änderungen in den Irreführungstatbeständen (Art. 6 UGP-RL) und zehn neue Tatbestände in der „Schwarzen Liste“ (Art. 5 Abs. 5 in Verbindung mit dem Anhang I UGP-RL) soll die UGP-RL ergänzt werden. Das Grundkonzept der UGP-RL bleibt dabei unangetastet, lediglich der Regelungsumfang wächst.
Beispielhaft seien hier drei Regelungen herausgegriffen:
In Ergänzung der Schwarzen Liste sollen etwa “allgemeine Umweltaussagen” ohne den Nachweis für die beworbene Umweltleistung stets verboten werden (Nr. 4a des Anhangs). In Bezug auf den allgemeinen Irreführungstatbestand soll Art. 6 UGP-RL um die Aufnahme der “ökologischen und sozialen Auswirkungen” eines Produkts als mögliche Bezugspunkte einer irreführenden Handlung ergänzt werden. Außerdem soll eine „Umweltaussage“ über die künftige Umweltleistung irreführend sein, wenn dies ohne “klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele” geschieht und kein “unabhängiges Überwachungssystem” vorhanden ist (Art. 6 lit. d) UGP-RL).
2. Kritik
Dem Richtlinienvorschlag wird vielfach vorgeworfen, keinen wirklichen Mehrwert zu bieten und die selbst auferlegten Ziele nicht fördern zu können. [9] Das Zusammenspiel von UWG-Generalklausel (bzw. Art. 6 und 7 UGP-RL) und der Beurteilung durch die Gerichte im Einzelfall könne hingegen bereits jetzt die Fälle von „Greenwashing“ rechtlich ausreichend erfassen.
Dass der Mehrwert der neuen Regelungen zu hinterfragen ist, zeigen auch die oben aufgeführten Beispiele:
Die Ergänzung der „Schwarzen Liste“ um das Verbot von “allgemeinen Umweltaussagen” ohne den Nachweis für die beworbene “anerkannte hervorragende Umweltleistung” (Nr. 4a des Anhangs) wird effektiv kaum Veränderungen bewirken, da dies bereits der der bisherigen Rechtsprechung entspricht. Die in Art. 6 UGP-RL vorgesehene Aufnahme der “ökologischen und sozialen Auswirkungen” eines Produkts als mögliche Bezugspunkte einer irreführenden Handlung bringt ebenfalls keine großen Änderungen, da § 5 UWG (in Umsetzung der bisherigen Vorgaben von Art. 6 UGP-RL) bereits sämtliche “wesentlichen Merkmale” erfasst, worunter auch die ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Produkts fallen können. Außerdem enthalten die Leitlinien zur UGP-RL bereits ausführliche Hinweise, wie über die bestehenden Regelungen Greenwashing wirksam bekämpft werden kann.[10]
Ein inhaltlicher Mehrwert durch Schaffung neuer expliziterer Vorschriften wird also nicht zwangsläufig erreicht, da vielfach lediglich bereits geltendes Recht klargestellt wird. Der Richtlinienvorschlag könnte stattdessen zu einer unübersichtlichen Ausweitung der Regelungen führen. Andererseits würde der expliziten Aufnahme von Greenwashing in das UWG zumindest eine gewisse Klarstellungsfunktion zukommen.
3. Fazit und Ausblick
Die vermehrte Werbung mit „grünen“ Eigenschaften von Produkten macht angesichts des Greenwashings auch die Sensibilisierung der Verbraucherinnen und Verbraucher für das Thema der irreführenden Umweltwerbung notwendig. Schließlich können Verbraucherinnen und Verbraucher nur dann eine nachhaltige Kaufentscheidung treffen, wenn sie in die Lage versetzt werden, tatsächlich nachhaltig produzierte Waren von nur scheinbar so produzierten zu unterscheiden. An umweltbezogene Werbung sind daher grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen. Ob zudem auch die geplanten Neuregelungen auf europäischer Ebene erforderlich sind und tatsächlich eine Verbesserung der Verbraucherrechte bewirken, kann allerdings bezweifelt werden.
[1] Vgl. Laoutoumai, WRP 2022, 1067 (1068).
[2] https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/greenwashing-51592/version-384777.
[3] Eine Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung findet sich bei Laoutoumai, LogR 2023, 36 (38 ff.).
[4] Vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.11.2022 – 6 U 104/22; OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2021 – 4 U 57/21; LG Stuttgart, Urt. v. 10.1.2022 – 36 O 92/21 KfH.
[5] Vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.11.2022 – 6 U 104/22; OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2021 – 4 U 57/21; LG Oldenburg, Urt. v. 16.12.2021 – 15 O 1469/21; LG Kiel, Urt. v. 2.7.2021 – 14 HKO 99/20.
[6] COM(2022) 143 final; der Stand des Verfahrens ist abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/HIS/?uri=COM:2022:143:FIN.
[7] Begründung zum Richtlinienvorschlag (Fn. 4), S. 1.
[8] Vgl. COM(2019) 640 final.
[9] Vgl. statt vieler Scherer, GRUR 2023, 29 (30).
[10] Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der RL 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (2021/C 526/1), Stand 29.12.2021, Abschnitt 4.1, S. 72 ff.
Blogbeitrag vom 01.05.2023

KI und geistiges Eigentum – Rechtliche Herausforderungen in Zeiten von ChatGPT
Donata Wilm und Aaron Schenke
Spätestens mit der Veröffentlichung des Chatbot-Systems „ChatGPT“ der Firma OpenAI am 30.11.2022 ist Künstliche Intelligenz in aller Munde. Mit dieser derzeit kostenlos zugänglichen Software haben in den vergangenen Monaten mittlerweile schon über 100 Millionen Nutzer unzählige, teils verblüffende literarische Werke erstellt oder sich einiges an Schreibarbeit bei den schulischen Hausarbeiten erspart. Trotz aller Chancen dieser sich rasant weiterentwickelnden KI ergeben sich allen voran rechtliche Hürden und Risiken. So greift ChatGPT in seinem Lernprozess nicht nur auf unzählige Informationen zu, die selbst einem immaterialgüterrechtlichen Schutz unterfallen, sondern neben dem Input kann auch der Output selbst gewerbliche Schutzrechte oder Urheberrechte verletzen. In der Literatur verkündet so manch einer im Zuge der jüngsten Entwicklungen gar schon den „Tod des geistigen Eigentums“.[1] Der nachfolgende Beitrag möchte die sich zwangsläufig stellenden rechtlichen Fragen bei der Verwendung künstlicher Intelligenz im Rahmen der Content-Produktion anhand von ChatGPT beleuchten und einen Überblick über die derzeitige Rechtslage bieten.
I. Was ist ChatGPT?
ChatGPT ähnelt in seiner Funktionsweise den schön länger etablierten Kundensupport-Chats, erweist sich aber als wesentlich fortschrittlicher, indem es nicht nur kurze Antwortmöglichkeiten, sondern geradezu menschlich klingende ausführliche Antworten auf die gestellte Frage liefert.[2] Dazu bedient sich die Entwicklerfirma OpenAI der sogenannten Deep-Learning-Technologien durch die die Künstliche Intelligenz mittels Algorithmen trainiert wird. Die derzeit aktuelle Version „GPT-4“ wurde so mit etwa 17 Billionen Trainingsdaten gefüttert, die aus dem gesamten Internet und einer erheblichen Anzahl von Textbeispielen stammen.[3] Auf diesem Weg soll die Software ihr Ziel erreichen, die menschliche Kommunikation zu simulieren und dazu teils überaus komplexe Sprachwerke zu simulieren.[4]
II. Welche rechtlichen Hürden stellen sich im Lernprozess der KI?
Doch auch schon während des besagten Deep-Learning-Prozesses stellen sich rechtliche Hürden, wenn ChatGPT mit ihrerseits immaterialgüterrechtlich geschützten Informationen gefüttert wird. Dabei stellt sich allen voran die Frage nach der urheberrechtlichen Zulässigkeit, wenn das jeweilige Werk im Lernprozess zumindest vorübergehend gespeichert und mithin vervielfältigt im Sinne des § 16 UrhG wird.[5] Diese Verletzungshandlung bedarf entweder einer ausdrücklichen Zustimmung des Urhebers oder muss von einer gesetzlichen Schranke, was praktisch den Regelfall darstellen dürfte, gedeckt sein.[6]
1. 44a UrhG
Zunächst könnte man zu diesem Zweck die Ausnahme von der Zustimmungsbedürftigkeit nach § 44a UrhG für bloß vorübergehende Vervielfältigungshandlungen erwägen. In der Praxis kommt dieser Schranke für das KI-Training jedoch bloß eine untergeordnete Rolle zu. So beruht der Deep-Learning-Prozess gerade auf dem wiederholten Training der Software, was nicht nur die Dauerhaftigkeit der Trainingsmaterialien bedingt, sondern dem Input zugleich eine dem § 44a UrhG entgegenstehende erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommen lässt.[7]
2. 44b UrhG
Zu diesem Zwecke schafft § 44b Abs. 2 UrhG Abhilfe, wonach die Vervielfältigung von rechtmäßig zugänglichen Werken für das sogenannte „Text und Data Mining“ zulässig ist. Hierunter ist die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen zu gewinnen, zu verstehen. Schließlich handelt es sich auch bei dem Algorithmus-gestützten Lernprozess von ChatGPT um eine Textanalyse zur Informationsgewinnung. Soweit auf die Daten legal zugegriffen wird und die Anbieter dieser Inhalte das Recht zur Vervielfältigung im Rahmen des Text und Data Minings nicht ausschließen,[8] ist die Vervielfältigung durch ChatGPT von § 44b Abs. 2 UrhG gedeckt.
III. Verletzung geistigen Eigentums Dritter durch den KI-Output
Im Rahmen des KI-Outputs stellt sich die Frage, ob durch dieses das geistige Eigentum derjenigen Dritten, deren urheberrechtlich geschützten Werke in dem durch ChatGPT herausgegebenen Text Einklang gefunden haben, verletzt werden kann. Dabei ist danach zu differenzieren, inwiefern das Original in dem Output übernommen wird. Bei Übersetzungen oder Reproduktionen bspw., bestehen die Rechte des Urhebers der Originalversion fort. Solche Texte dürfen daher nicht ohne Weiteres verwertet werden. Bei Umgestaltungen hängt der fortbestehende Schutz der Urheberrechte am Input davon ab, wie sehr die Originalversion umgestaltet wurde und ob das Original wiedererkennbar ist. Ist bspw. in einem umgeschriebenen Text eine fiktive Person unverwechselbar erkennbar, stellt die Verwertung dieses Textes unter Umständen eine Urheberrechtsverletzung dar.[9]
IV. Eigenständiger Schutz des KI-Outputs
Neben der Frage nach der Verletzung geistigen Eigentums Dritter durch den KI-Output bedarf es der Klärung, ob an dem KI-Output eigenständiger Urheberrechtsschutz bestehen kann und, falls dies zu bejahen ist, wer in diesem Fall als Urheber angesehen wird. Um als urheberrechtlich geschütztes Werk i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG eingestuft zu werden, bedarf es einer persönlichen geistigen Schöpfung. Um festzustellen, ob eine solche vorliegt, ist nach den in Betracht kommenden Urhebern des Outputs zu differenzieren.
Bei ChatGPT selbst, liegt bereits das Problem in der Persönlichkeit der Schöpfung. Diese setzt die Schöpfung des Werkes durch einen Menschen voraus[10], was bei der Software ChatGPT nicht der Fall ist. Auch die Entwickler von ChatGPT kommen nicht als Urheber der generierten Texte in Betracht. Diese haben zwar zur Entstehung von ChatGPT beigetragen, jedoch nicht adäquat kausal zu den einzelnen durch die Software erstellten Texten.[11]
Letztlich kommen daher nur die Personen, die ChatGPT nutzen, als potentielle Urheber in Betracht. Diese nehmen durch die konkrete Fragestellung Einfluss auf das Output. Dabei kann zwar der Input auch Gestaltungshöhe aufweisen und somit ein urheberrechtlich geschütztes Werk i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG darstellen. Dieses schlägt sich jedoch nicht auf den Output durch, denn die ChatGPT nutzende Person gibt lediglich Anweisungen zur Erstellung des Outputs, hat jedoch keine Einflussmöglichkeiten auf den zu erstellenden Text.[12] Sie kann somit nicht Urheberin des generierten Textes sein.
Mangels einer natürlichen Person, die direkten Einfluss auf das durch ChatGPT erstellte Erzeugnis hat, liegt keine persönliche geistige Schöpfung vor. Der KI-Output ist daher nicht eigenständig urheberrechtlich geschützt.
V. Fazit und Ausblick
Wie sich aus dem Beitrag ergibt, bestehen bei der Nutzung künstlicher Intelligenz einige rechtliche Herausforderungen. Insbesondere im Hinblick auf die Verletzung von Immaterialgüterrechten Dritter durch den Output von ChatGPT oder auf dessen potenziellen eigenständigen Schutz, besteht ein Erfordernis der gesetzgeberischen Klärung. Doch neben diesen rechtlichen Fragen darf auch nicht das rein praktische Problem übersehen werden, wie damit verfahren wird, wenn sich eine natürliche Person, die ChatGPT zur Erstellung eines Textes genutzt hat, als dessen Urheber ausgibt. Insbesondere vor dem Hintergrund der ständigen Weiterentwicklung auch anderer Sprachmodelle und der weiter zunehmenden Nutzung solcher Softwares, ist auf eine schnelle Reaktion des Gesetzgeber zu hoffen.
[1] So kritisch zum derzeitigen Urheberrecht: Hoeren, MMR 2023, 81 (81).
[2] GPT steht dabei für „Generative Pre-Trained- Transformer“, vgl. https://openai.com/blog/chatgpt; Johannisbauer, MMR-Aktuell 2023, 455537.
[3] https://www.macwelt.de/article/1658541/chatgpt-gpt-4-menschlicher.html; Welser, GRUR-Prax 2023, 57 (57).
[4] Vgl. Schwartmann, MMR-Aktuell 2023, 455536.
[5] Bloße Daten werden dagegen nicht urheberrechtlich geschützt und können somit als Trainingsmaterial verwendet werden, so ausdrücklich: Siglmüller/Gassner, RDi 2023, 124 (125).
[6] Müllerten Jung/Rexin, CR 2022, 169, 172.
[7] Siglmüller/Gassner, RDi 2023, 124 (126).
[8] Deutscher BT, WD 10-3000-67/18 S. 13.
[9] Von Welser, GRUR-Prax 2023, 57 (58).
[10] Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Auflage 2020, § 2, Rn. 15.
[11] Krone, RDi 2023, 117 (121).
[12] Von Welser, GRUR-Prax 2023, 57 (58).