Greenwashing in der Werbung

Aspekte wie „Nachhaltigkeit“ oder „Klimaneutralität“ spielen für viele Verbraucherinnen und Verbraucher hinsichtlich einer Kaufentscheidung eine immer bedeutendere Rolle. Die Bevölkerung ist zunehmend für ein verantwortungsvolles Handeln im Zuge des menschengemachten Klimawandels sensibilisiert, sodass die Werbung mit Umweltvorteilen (sog. „Green Claims“[1]) für Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Es verwundert daher nicht, dass einige Unternehmen diese Wirkung auch in unlauterer Weise ausnutzen und einem Produkt den Anschein von Umweltfreundlichkeit verleihen, obwohl tatsächlich keine hinreichende Grundlage dafür besteht (sog. „Greenwashing“[2]). Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, wie Greenwashing nach dem UWG zu beurteilen ist und anschließend der Frage nachgegangen werden, welche Änderungen auf europäischer Ebene zu erwarten sind und ob es solcher überhaupt bedarf.

I. Beurteilung von Greenwashing nach dem UWG

Umweltbezogene Aussagen sind mangels spezifischer Vorgaben an den allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Vorschriften des UWG zu messen. Dabei ist zunächst an die „schwarze Liste“ gemäß § 3 III UWG zu denken. Diese adressiert bisher zwar nicht ausdrücklich umweltbezogene Werbeaussagen, doch könnte etwa ein Verstoß gegen Nr. 2 vorliegen, wenn ein Unternehmen ohne Genehmigung ein Siegel oder Label verwendet, das die Klimaneutralität eines Produktes bescheinigen soll. Ebenso kommt ein Verstoß gegen Nr. 10 in Betracht, etwa wenn „grüne“ Produkteigenschaften besonders herausgestellt werden, die ohnehin gesetzlich vorgeschrieben sind.

Im Rahmen von § 5 UWG und der Beurteilung von irreführenden geschäftlichen Handlungen ist schließlich insbesondere von Bedeutung, wie eine umweltbezogene Aussage nach der Verkehrsauffassung zu verstehen ist. Besonders intensiv hat sich die Rechtsprechung mit dem Begriff der “Klimaneutralität” auseinandergesetzt. Da sich die Richterinnen und Richter in diesen Fällen meist selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen und von ihrem eigenen Verständnis ausgehen, verwundert es jedoch nicht, dass diesbezüglich teils unterschiedliche Rechtsprechung ergangen ist.[3] Überwiegend gehen die Gerichte jedoch von einem strengen Maßstab aus und sehen die Werbeaussage „klimaneutral“ aufgrund seiner Mehrdeutigkeit als erklärungsbedürftig an.[4]

Im Rahmen der Irreführung durch Unterlassen nach § 5a UWG sei zudem bei umweltbezogenen Angaben eine Information darüber, worauf sich ein ausgelobter Umweltvorteil bezieht, „wesentlich“ iSv § 5a UWG. Unscharfe Begriffe wie „klimaneutral“ oder „nachhaltig“ verpflichten daher zu weiterer Aufklärung.[5]

Schließlich lässt sich festhalten, dass bei der lauterkeitsrechtlichen Bewertung nach dem UWG insgesamt eher hohe Anforderungen an umweltbezogene Werbung zu stellen sind. Welche Werbemaßnahmen konkret unlauter sind, bleibt jedoch eine Einzelfallentscheidung.

II. Richtlinienvorschlag der EU-Kommission

Im März 2022 hat die EU-Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU (im Folgenden: Richtlinienvorschlag) vorgelegt.[6] Der Vorschlag verfolgt das Ziel, zu „einer kreislauforientierten, sauberen und grünen EU-Wirtschaft beizutragen, indem Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen und so nachhaltige Verbrauchsmuster zu fördern“.[7] Das Vorhaben der Kommission ist Teil eines ganzen Maßnahmenbündels und bildet eine Folgemaßnahme des so genannten „Green Deals“.[8]

1. Geplante Änderungen

Der Richtlinienvorschlag sieht insbesondere Anpassungen der Richtlinie 2005/29/EG (UGP-RL) vor, die in Deutschland hauptsächlich im Rahmen des UWG umgesetzt ist. Durch elf neue Definitionen (Art. 2 UGP-RL), vier Änderungen in den Irreführungstatbeständen (Art. 6 UGP-RL) und zehn neue Tatbestände in der „Schwarzen Liste“ (Art. 5 Abs. 5 in Verbindung mit dem Anhang I UGP-RL) soll die UGP-RL ergänzt werden. Das Grundkonzept der UGP-RL bleibt dabei unangetastet, lediglich der Regelungsumfang wächst.

Beispielhaft seien hier drei Regelungen herausgegriffen:

In Ergänzung der Schwarzen Liste sollen etwa “allgemeine Umweltaussagen” ohne den Nachweis für die beworbene Umweltleistung stets verboten werden (Nr. 4a des Anhangs). In Bezug auf den allgemeinen Irreführungstatbestand soll Art. 6 UGP-RL um die Aufnahme der “ökologischen und sozialen Auswirkungen” eines Produkts als mögliche Bezugspunkte einer irreführenden Handlung ergänzt werden. Außerdem soll eine „Umweltaussage“ über die künftige Umweltleistung irreführend sein, wenn dies ohne “klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele” geschieht und kein “unabhängiges Überwachungssystem” vorhanden ist (Art. 6 lit. d) UGP-RL).

2. Kritik

Dem Richtlinienvorschlag wird vielfach vorgeworfen, keinen wirklichen Mehrwert zu bieten und die selbst auferlegten Ziele nicht fördern zu können. [9] Das Zusammenspiel von UWG-Generalklausel (bzw. Art. 6 und 7 UGP-RL) und der Beurteilung durch die Gerichte im Einzelfall könne hingegen bereits jetzt die Fälle von „Greenwashing“ rechtlich ausreichend erfassen.

Dass der Mehrwert der neuen Regelungen zu hinterfragen ist, zeigen auch die oben aufgeführten Beispiele:

Die Ergänzung der „Schwarzen Liste“ um das Verbot von “allgemeinen Umweltaussagen” ohne den Nachweis für die beworbene “anerkannte hervorragende Umweltleistung” (Nr. 4a des Anhangs) wird effektiv kaum Veränderungen bewirken, da dies bereits der der bisherigen Rechtsprechung entspricht. Die in Art. 6 UGP-RL vorgesehene Aufnahme der “ökologischen und sozialen Auswirkungen” eines Produkts als mögliche Bezugspunkte einer irreführenden Handlung bringt ebenfalls keine großen Änderungen, da § 5 UWG (in Umsetzung der bisherigen Vorgaben von Art. 6 UGP-RL) bereits sämtliche “wesentlichen Merkmale” erfasst, worunter auch die ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Produkts fallen können. Außerdem enthalten die Leitlinien zur UGP-RL bereits ausführliche Hinweise, wie über die bestehenden Regelungen Greenwashing wirksam bekämpft werden kann.[10]

Ein inhaltlicher Mehrwert durch Schaffung neuer expliziterer Vorschriften wird also nicht zwangsläufig erreicht, da vielfach lediglich bereits geltendes Recht klargestellt wird. Der Richtlinienvorschlag könnte stattdessen zu einer unübersichtlichen Ausweitung der Regelungen führen. Andererseits würde der expliziten Aufnahme von Greenwashing in das UWG zumindest eine gewisse Klarstellungsfunktion zukommen.

3. Fazit und Ausblick

Die vermehrte Werbung mit „grünen“ Eigenschaften von Produkten macht angesichts des Greenwashings auch die Sensibilisierung der Verbraucherinnen und Verbraucher für das Thema der irreführenden Umweltwerbung notwendig. Schließlich können Verbraucherinnen und Verbraucher nur dann eine nachhaltige Kaufentscheidung treffen, wenn sie in die Lage versetzt werden, tatsächlich nachhaltig produzierte Waren von nur scheinbar so produzierten zu unterscheiden. An umweltbezogene Werbung sind daher grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen. Ob zudem auch die geplanten Neuregelungen auf europäischer Ebene erforderlich sind und tatsächlich eine Verbesserung der Verbraucherrechte bewirken, kann allerdings bezweifelt werden.

[1] Vgl. Laoutoumai, WRP 2022, 1067 (1068).

[2] https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/greenwashing-51592/version-384777.

[3] Eine Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung findet sich bei Laoutoumai, LogR 2023, 36 (38 ff.).

[4] Vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.11.2022 – 6 U 104/22; OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2021 – 4 U 57/21; LG Stuttgart, Urt. v. 10.1.2022 – 36 O 92/21 KfH.

[5] Vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.11.2022 – 6 U 104/22; OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2021 – 4 U 57/21; LG Oldenburg, Urt. v. 16.12.2021 – 15 O 1469/21; LG Kiel, Urt. v. 2.7.2021 – 14 HKO 99/20.

[6] COM(2022) 143 final; der Stand des Verfahrens ist abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/HIS/?uri=COM:2022:143:FIN.

[7] Begründung zum Richtlinienvorschlag (Fn. 4), S. 1.

[8] Vgl. COM(2019) 640 final.

[9] Vgl. statt vieler Scherer, GRUR 2023, 29 (30).

[10] Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der RL 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (2021/C 526/1), Stand 29.12.2021, Abschnitt 4.1, S. 72 ff.

Vitus Kirchner