KI und geistiges Eigentum – Rechtliche Herausforderungen in Zeiten von ChatGPT

Spätestens mit der Veröffentlichung des Chatbot-Systems „ChatGPT“ der Firma OpenAI am 30.11.2022 ist Künstliche Intelligenz in aller Munde. Mit dieser derzeit kostenlos zugänglichen Software haben in den vergangenen Monaten mittlerweile schon über 100 Millionen Nutzer unzählige, teils verblüffende literarische Werke erstellt oder sich einiges an Schreibarbeit bei den schulischen Hausarbeiten erspart. Trotz aller Chancen dieser sich rasant weiterentwickelnden KI ergeben sich allen voran rechtliche Hürden und Risiken. So greift ChatGPT in seinem Lernprozess nicht nur auf unzählige Informationen zu, die selbst einem immaterialgüterrechtlichen Schutz unterfallen, sondern neben dem Input kann auch der Output selbst gewerbliche Schutzrechte oder Urheberrechte verletzen. In der Literatur verkündet so manch einer im Zuge der jüngsten Entwicklungen gar schon den „Tod des geistigen Eigentums“.[1]  Der nachfolgende Beitrag möchte die sich zwangsläufig stellenden rechtlichen Fragen bei der Verwendung künstlicher Intelligenz im Rahmen der Content-Produktion anhand von ChatGPT beleuchten und einen Überblick über die derzeitige Rechtslage bieten.

I. Was ist ChatGPT?

ChatGPT ähnelt in seiner Funktionsweise den schön länger etablierten Kundensupport-Chats, erweist sich aber als wesentlich fortschrittlicher, indem es nicht nur kurze Antwortmöglichkeiten, sondern geradezu menschlich klingende ausführliche Antworten auf die gestellte Frage liefert.[2]  Dazu bedient sich die Entwicklerfirma OpenAI der sogenannten Deep-Learning-Technologien durch die die Künstliche Intelligenz mittels Algorithmen trainiert wird. Die derzeit aktuelle Version „GPT-4“ wurde so mit etwa 17 Billionen Trainingsdaten gefüttert, die aus dem gesamten Internet und einer erheblichen Anzahl von Textbeispielen stammen.[3]  Auf diesem Weg soll die Software ihr Ziel erreichen, die menschliche Kommunikation zu simulieren und dazu teils überaus komplexe Sprachwerke zu simulieren.[4]  

II. Welche rechtlichen Hürden stellen sich im Lernprozess der KI?

Doch auch schon während des besagten Deep-Learning-Prozesses stellen sich rechtliche Hürden, wenn ChatGPT mit ihrerseits immaterialgüterrechtlich geschützten Informationen gefüttert wird. Dabei stellt sich allen voran die Frage nach der urheberrechtlichen Zulässigkeit, wenn das jeweilige Werk im Lernprozess zumindest vorübergehend gespeichert und mithin vervielfältigt im Sinne des § 16 UrhG wird.[5]  Diese Verletzungshandlung bedarf entweder einer ausdrücklichen Zustimmung des Urhebers oder muss von einer gesetzlichen Schranke, was praktisch den Regelfall darstellen dürfte, gedeckt sein.[6]

1. 44a UrhG

Zunächst könnte man zu diesem Zweck die Ausnahme von der Zustimmungsbedürftigkeit nach § 44a UrhG für bloß vorübergehende Vervielfältigungshandlungen erwägen. In der Praxis kommt dieser Schranke für das KI-Training jedoch bloß eine untergeordnete Rolle zu. So beruht der Deep-Learning-Prozess gerade auf dem wiederholten Training der Software, was nicht nur die Dauerhaftigkeit der Trainingsmaterialien bedingt, sondern dem Input zugleich eine dem § 44a UrhG entgegenstehende erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommen lässt.[7]

2. 44b UrhG

Zu diesem Zwecke schafft § 44b Abs. 2 UrhG Abhilfe, wonach die Vervielfältigung von rechtmäßig zugänglichen Werken für das sogenannte „Text und Data Mining“ zulässig ist. Hierunter ist die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen zu gewinnen, zu verstehen.  Schließlich handelt es sich auch bei dem Algorithmus-gestützten Lernprozess von ChatGPT um eine Textanalyse zur Informationsgewinnung. Soweit auf die Daten legal zugegriffen wird und die Anbieter dieser Inhalte das Recht zur Vervielfältigung im Rahmen des Text und Data Minings nicht ausschließen,[8]  ist die Vervielfältigung durch ChatGPT von § 44b Abs. 2 UrhG gedeckt.

III. Verletzung geistigen Eigentums Dritter durch den KI-Output

Im Rahmen des KI-Outputs stellt sich die Frage, ob durch dieses das geistige Eigentum derjenigen Dritten, deren urheberrechtlich geschützten Werke in dem durch ChatGPT herausgegebenen Text Einklang gefunden haben, verletzt werden kann. Dabei ist danach zu differenzieren, inwiefern das Original in dem Output übernommen wird. Bei Übersetzungen oder Reproduktionen bspw., bestehen die Rechte des Urhebers der Originalversion fort. Solche Texte dürfen daher nicht ohne Weiteres verwertet werden. Bei Umgestaltungen hängt der fortbestehende Schutz der Urheberrechte am Input davon ab, wie sehr die Originalversion umgestaltet wurde und ob das Original wiedererkennbar ist. Ist bspw. in einem umgeschriebenen Text eine fiktive Person unverwechselbar erkennbar, stellt die Verwertung dieses Textes unter Umständen eine Urheberrechtsverletzung dar.[9]

IV. Eigenständiger Schutz des KI-Outputs

Neben der Frage nach der Verletzung geistigen Eigentums Dritter durch den KI-Output bedarf es der Klärung, ob an dem KI-Output eigenständiger Urheberrechtsschutz bestehen kann und, falls dies zu bejahen ist, wer in diesem Fall als Urheber angesehen wird. Um als urheberrechtlich geschütztes Werk i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG eingestuft zu werden, bedarf es einer persönlichen geistigen Schöpfung. Um festzustellen, ob eine solche vorliegt, ist nach den in Betracht kommenden Urhebern des Outputs zu differenzieren.

Bei ChatGPT selbst, liegt bereits das Problem in der Persönlichkeit der Schöpfung. Diese setzt die Schöpfung des Werkes durch einen Menschen voraus[10], was bei der Software ChatGPT nicht der Fall ist. Auch die Entwickler von ChatGPT kommen nicht als Urheber der generierten Texte in Betracht. Diese haben zwar zur Entstehung von ChatGPT beigetragen, jedoch nicht adäquat kausal zu den einzelnen durch die Software erstellten Texten.[11]

Letztlich kommen daher nur die Personen, die ChatGPT nutzen, als potentielle Urheber in Betracht. Diese nehmen durch die konkrete Fragestellung Einfluss auf das Output. Dabei kann zwar der Input auch Gestaltungshöhe aufweisen und somit ein urheberrechtlich geschütztes Werk i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG darstellen. Dieses schlägt sich jedoch nicht auf den Output durch, denn die ChatGPT nutzende Person gibt lediglich Anweisungen zur Erstellung des Outputs, hat jedoch keine Einflussmöglichkeiten auf den zu erstellenden Text.[12]  Sie kann somit nicht Urheberin des generierten Textes sein.

Mangels einer natürlichen Person, die direkten Einfluss auf das durch ChatGPT erstellte Erzeugnis hat, liegt keine persönliche geistige Schöpfung vor. Der KI-Output ist daher nicht eigenständig urheberrechtlich geschützt.

V. Fazit und Ausblick

Wie sich aus dem Beitrag ergibt, bestehen bei der Nutzung künstlicher Intelligenz einige rechtliche Herausforderungen. Insbesondere im Hinblick auf die Verletzung von Immaterialgüterrechten Dritter durch den Output von ChatGPT oder auf dessen potenziellen eigenständigen Schutz, besteht ein Erfordernis der gesetzgeberischen Klärung. Doch neben diesen rechtlichen Fragen darf auch nicht das rein praktische Problem übersehen werden, wie damit verfahren wird, wenn sich eine natürliche Person, die ChatGPT zur Erstellung eines Textes genutzt hat, als dessen Urheber ausgibt. Insbesondere vor dem Hintergrund der ständigen Weiterentwicklung auch anderer Sprachmodelle und der weiter zunehmenden Nutzung solcher Softwares, ist auf eine schnelle Reaktion des Gesetzgeber zu hoffen.

 

[1] So kritisch zum derzeitigen Urheberrecht: Hoeren, MMR 2023, 81 (81).

[2] GPT steht dabei für „Generative Pre-Trained- Transformer“, vgl. https://openai.com/blog/chatgpt; Johannisbauer, MMR-Aktuell 2023, 455537.

[3] https://www.macwelt.de/article/1658541/chatgpt-gpt-4-menschlicher.html; Welser, GRUR-Prax 2023, 57 (57).

[4] Vgl. Schwartmann, MMR-Aktuell 2023, 455536.

[5] Bloße Daten werden dagegen nicht urheberrechtlich geschützt und können somit als Trainingsmaterial verwendet werden, so ausdrücklich: Siglmüller/Gassner, RDi 2023, 124 (125).

[6] Müllerten Jung/Rexin, CR 2022, 169, 172.

[7] Siglmüller/Gassner, RDi 2023, 124 (126).

[8] Deutscher BT, WD 10-3000-67/18 S. 13.

[9] Von Welser, GRUR-Prax 2023, 57 (58).

[10] Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Auflage 2020, § 2, Rn. 15.

[11] Krone, RDi 2023, 117 (121).

[12] Von Welser, GRUR-Prax 2023, 57 (58).

Donata Wilm und Aaron Schenke