Die PAngV-Novelle in der Praxis – Entwicklungen und Urteile seit dem Inkrafttreten

Martin Bangard

Seit dem 28.05.2023 ist die Novelle der Preisangabenverordnung (PAngV) in Kraft. Der bald zweijährige Bestand der Novelle gibt Anlass zu einer Analyse der bisherigen Rechtsprechung sowie der Reaktionen der Praxis auf die geänderte Rechtslage.

I.         Rechtsprechung zur PAngV-Novelle

Innerhalb der letzten zwei Jahre gab es etliche, teils höchstrichterliche Rechtsprechung, bei der Regelungen der novellierten PAngV angewendet wurden. Ein Großteil der Verfahren konzentrierte sich auf die Vorschriften bezüglich der zusätzlichen Preisangabenpflicht bei Preisermäßigung für Waren (§ 11 PAngV), sowie auf die Angabepflicht des Gesamt- (§ 3 PAngV) und Grundpreises (§ 4 PAngV). Dies unterstreicht die Praxisrelevanz des PAngV gerade für Aktionsprodukte und Preisermäßigungen. Regelmäßig betroffen waren in diesem Rahmen naturgemäß Discounter.

Im Folgenden werden, sortiert anhand der jeweils einschlägigen Paragraphen des PAngV, die relevanten Urteile der jüngeren Vergangenheit zusammengefasst und eingeordnet.

1. § 3 PAngV

BGH, Urteil vom 26.10.2023 – I ZR 135/20

Der BGH hat in seinem Urteil vom 26.10.2023 festgestellt, dass der Gesamtpreis gemäß § 1 I 1 PAngV aF (§ 3 I PAngV nF, § 2 Nr. 3 PAngV nF) nicht den Pfandbetrag enthält, den der Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandbehältern zu entrichten hat.

Dies stellt eine Abkehr des BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung und einen Anschluss an die Rechtsprechung des EuGHs dar. So hatte der EuGH in seinem Urteil vom 29.6.2023 (C-543/21) den Art. 2 lit. a der RL 98/6/EG dahingehend ausgelegt, dass der Begriff des Verkaufspreises nicht den Pfandbetrag enthält. Dem stand die vorherige Rechtsprechung des BGH gegenüber, nach der der Pfandbetrag einen unvermeidbaren und unvorhersehbaren Bestandteil des Preises darstellt. Gestützt wurde das darauf, dass dieser obligatorisch vom Verbraucher zu tragen sei und einen Teil der Gegenleistung für den Erwerb darstelle1. Der EuGH hatte der Argumentation des BGH insbesondere hinsichtlich der Feststellung, ein Pfandbetrag wäre obligatorisch, widersprochen. Schließlich habe der Verbraucher bei Rückgabe einen Anspruch auf Rückerstattung, weswegen der Preis gerade nicht als Teil des Endpreises anzusehen ist.2 Ferner trat der EuGH der ursprünglichen Argumentation des BGH entgegen, nach der es zu einer besseren Vergleichbarkeit führen würde, wenn der Pfandbetrag zum Gesamtbetrag gezählt würde. Dem entgegnete der EuGH, dass nicht jedes Behältnis vom Pfand erfasst ist und selbst, wenn dies der Fall wäre, die Höhe des Pfandes zwischen den verschiedenen Behältnissen variiert und so für den Verbraucher die Gefahr birgt, unzutreffende Vergleiche anzustellen.3

2. § 4 PAngV

LG Hamburg 2.2.2023 – 403 HKO 102/22

Das LG Hamburg hat im Rahmen seines Urteils vom 02.02.2023 festgestellt, dass Suchmaschinen Anbieterinnen i.S.d. § 4 PAngV sind, soweit sie im Rahmen von Affiliate-Programmen Suchergebnisse unter Angabe des Gesamtpreises präsentieren. Betroffen sind insbesondere Preisvergleichsplattformen, die selbst finanzielle Vorteile erhalten, wenn über ihre „Suchmaschine“ Käufer zu den entsprechenden Produkten gelangt sind. Folglich sind auch Suchmaschinen bzw. Plattformbetreiber, die nur mittelbar an dem Verkauf von Waren beteiligt sind, nicht grundsätzlich vom Anwendungsbereich der PAngV ausge- schlossen. Maßgeblich ist das Geschäftsmodell und unter welchen Umständen sich der mutmaßlich Anbietende einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil erhofft, wie beispielsweise durch Vermittlungsprovisionen eines Affiliate-Programmen.4 In solchen Fällen sei ein derartiges Geschäftsmodell vergleichbar mit typischen Vermittlungsdienstleistungen.5 Im Ergebnis hält das LG Hamburg damit an dem weiten Verständnis des BGH von einem Anbieter fest.

3. § 11 PAngV

LG München I, Anerkenntnis- und End- urteil vom 10.10.2022 – 42 O 9140/22

Das LG München stellte in einem Verfah- ren gegen eine Vergleichsplattform mit Direktkaufmöglichkeit fest, dass ein Verstoß gegen § 11 PAngV vorliegt, wenn Markenkostüme mit durchgestrichenen Preisen beworben werden und sich ohne weitere Erklärung der Streichpreis auf das teuerste Angebot der Seite und der rot hervorgehobene Preis auf das günstigste Angebot auf der Seite bezieht. So hatte die Plattform sich bei dem niedrigsten 30-Tagespreis auf die falsche Bezugsgröße bezogen. Statt auf den günstigsten von der Plattform angewandten Preis innerhalb der letzten 30 Tage, wurde vorliegend auf den Verkaufspreis des teuersten Angebotes auf der Plattform für das konkrete Produkt abgestellt.6

LG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.2022 – 38 O 144/22

Nach dem LG Düsseldorf liegt ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 PAngV nicht bereits vor, wenn neben dem Angebotspreis ein Streichpreis angegeben ist, der dem niedrigsten 30- Tagepreis entspricht, als solcher jedoch nicht explizit gekennzeichnet ist. So ergäbe sich eine derartige Pflicht weder aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 PAngV,7 noch könne eine derartige Auslegung aus dem Zweck sowie der Systematik der Vorschrift8 oder als Ergebnis einer richtlinienkonformen Auslegung des Art. 6a Abs. 1 PreisangabenRL hergeleitet werden.9 Insbesondere wäre es dem Verbraucher bereits möglich, das Angebot entsprechend einzuordnen, wenn der niedrigste 30-Tagespreis als Streichpreis angegeben wird, eine explizite Kennzeichnung als niedrigster 30-Tagespreis aber nicht vorliegt.10 Ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn des Verbrauchers ließe sich durch eine derartige Kennzeichnung nicht feststellen.11 Die Angabe eines weiteren Preises kann neben dem niedrigsten 30-Tagespreis und dem Angebotspreis zulässig sein, solange sich dem Betrachter eine entsprechende Zuordnung erschließt und er nicht irregeführt wird. Gleichzeitig betonte das LG Düsseldorf, dass dieses Urteil nicht in Divergenz zu dem Urteil des LG München I vom 10.10.2022 – 42 O 9140/22 steht.12 Schließlich hätte das LG München einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 PAngV wegen einer falschen Bezugsgröße des angegriffenen Strichpreises angenommen und nicht wegen einer fehlenden Bezeichnung. Ferner seien die Umstände beider Sachverhalte nicht vergleichbar. So habe sich das Münchener Urteil auf eine Plattform bezogen, auf der mehrere Händler Waren angeboten haben, woraus möglicherweise eine andere Notwendigkeit in der Bezeichnung der jeweiligen Bezugsgrößen resultieren möge, als es in einem entsprechenden Filialangebot eines einzelnen Unternehmens der Fall ist.

LG Düsseldorf, 19.05.2023 – 38 O 182/22

Per Beschluss hat das LG Düsseldorf eine Rechtsstreitigkeit zwischen der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und ALDI-Süd ausgesetzt und dem EuGH zur Auslegung der Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL vorgelegt. Konkret bezogen sich die Fragen auf die Auslegung von Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL zum einen dahingehend, ob ein Prozentsatz, der in einer Bekanntgabe einer Preisermäßigung genannt wird, ausschließlich auf den vorherigen Preis im Sinne von Art. 6a Abs. 2 PreisangabenRL bezogen sein darf. Zum anderen bezogen sie sich darauf, ob werbli- che Hervorhebungen, mit denen die Preisgünstigkeit eines Angebots unterstrichen werden soll (wie beispielsweise die Bezeichnung des Preises als „Preis-Highlight“), dann, wenn sie in einer Bekanntgabe einer Preisermäßigung verwendet werden, auf den vorherigen Preis im Sinne von Art. 6a Abs. 2 PreisangabenRL bezogen sein müssen. Eine Entscheidung des EuGH steht bislang aus.

LG Amberg 02.06.2023 – 41 HK O 856/22

In einem Rechtsstreit gegen einen Lebensmitteldiscounter sah das LG Amberg die Vorgabe des § 11 Abs. 1 PAngV bei Bekanntgabe der Preisermäßigung den niedrigsten Gesamtpreis der letzten 30 Tage anzugeben, durch die entsprechende Angabe im Rahmen einer Fußnote als erfüllt an. Insbesondere solle es nicht erforderlich sein, die prozentuale Ermäßigung durch Relation zum niedrigsten Preis der letzten 30 Tage zu berechnen.13 Damit widerspricht das LG Amberg sowohl entsprechenden Leitlinien der Kommission als auch der amtlichen Begründung zur PAngV.14 Nach Ansicht des LG Amberg habe dies jedoch keinen Niederschlag im Wortlaut der PAngV gefun- den. Die Auslegung weitergehendender An- forderung ließen sich nicht mit dem Wortlaut der Norm vereinbaren.15 Beachtlich ist dabei, dass das LG Düsseldorf eine vergleichbare Frage (s.o. unter LG Düsseldorf, 19.05.2023 – 38 O 182/22) dem EuGH vorgelegt hat, um über die Auslegung des Art. 6a PreisangabenRL zu entscheiden. Eine Entscheidung des EuGH diesbezüglich steht noch aus.

LG Amberg 29.01.2023 – 41 HK O 334/23

In einem weiteren Verfahren gegen einen Discounter hat das LG Amberg entschieden, dass ein Verstoß gegen die Pflicht zur Angabe des niedrigsten vorherigen Preises gem. § 11 Abs. 1 PAngV auch dann gege- ben sein kann, wenn dieser „Vergleichs“- Preis genannt wird. Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 PAngV kann insbesondere dann vorliegen, wenn durch eine komplexe Aufmachung der Verbraucher den Hinweis auf den Preis nicht versteht. Dies begründet das LG Amberg mit der Regelung des § 1 Abs. 3 S. 2 PAngV, nachdem Angaben über Preise der allgemeinen Verkehrsauffassung und den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit entsprechen müssen. Beachtlich ist, dass die Werbung, welche im Rahmen des Urteils des LG Amberg vom 02.06.2023 – 41 HK O 856/22 überprüft und nicht beanstandet wurde, eine ähnliche Komplexität aufweist. So wurde in beiden beanstandeten Prospekten der bisherige 30- Tages-Bestpreis mit einer Ausnahme versehen. Im Rahmen des Urteils vom 29.01.2023 stellte dies für das LG Amberg eine zu komplexe Aufmachung dar. Allerdings hatte die klagende qualifizierte Einrichtung auch nicht die Komplexität der Preisangabe gerügt.

II.     Zusammenfassung der jüngeren Entwicklungen der Praxis

Trotz der nun fast zwei vergangenen Jahre seit dem Inkrafttreten der PAngV-Novelle sind                      noch diverse für die Praxis relevante Fragen offen, was in Einzelheiten zu Rechtsunsicherheiten für die betroffenen Marktteilnehmer führt. Dies betrifft gerade die Anwendung des praxisrelevanten § 11 PAngV, aber auch die Auslegung von bereits vor der Novelle vorhandenen Grundsätzen der Preisklarheit und Preiswahrheit. Wie unterschiedlich bislang die Auslegung dieser Regelungen ist, zeigt sich insbesondere im Vergleich zu den oben besprochenen Urteilen des LG Amberg (29.01.2023 – 41 HK O 334/23 und 02.06.2023 – 41 HK O 856/22). Auch bezüglich der europarechtlichen Auslegung weist die gerichtliche Praxis noch Unter- schiede auf (vgl. LG Amberg 02.06.2023 – 41 HK O 856/22 und LG Düsseldorf, 19.05.2023 – 38 O 182/22). Bis hinsichtlich dieser Aspekte durch höchstrichterliche Entscheidungen Klarheit gewonnen ist, empfiehlt es sich aus rechtlicher Perspektive für die betroffenen Unternehmen, konservativere Werbeaufmachungen bei Preisermäßigungen zu wählen, um mögli- che Prozesse und Strafzahlungen zu vermeiden.

Auch ist zu erwarten, dass noch eine Reihe an offenen Rechtsfragen in der Zukunft aufkommen wird. Einen kleinen Vorgeschmack bot der Hinweis des LG Düsseldorf in seinem Urteil vom 11.11.2022 – 38 O 144/22, nachdem für Plattformen, auf denen mehrere Händler ihre Waren anbieten, möglicherweise strengere Anforderungen nach § 11 Abs. 1 PAngV gelten, als für Angebote im Einzelhandel.16

Gleichzeitig lässt sich hinsichtlich anderer Fragen bereits eine gewisse Konsolidierung feststellen, wie die des Verhältnisses von Pfandbeträgen zum Gesamtpreis i.S.d. § 3 Abs. 1 PAngV, welches nun durch höchstrichterliche Rechtsprechung aufgelöst wurde (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2023 – I ZR 135/20).

Weiterhin beachtlich ist die Entwicklung von Abmahnungen auf Grundlage der PAngV. So wurden im Rahmen der Novelle die Möglichkeiten der Abmahnungen bewusst eingeschränkt, insbesondere um Ab- mahnungen vorzubeugen, die hauptsächlich der Erzielung von Abmahngebühren und Vertragsstrafen dienen.17 Dies zeigt sich insbesondere durch die Abschaffung von Abmahnkosten (§ 13 Abs. 4 UWG), Unterlassungserklärungen (§ 13a Abs. 2 UWG) sowie durch die Beschränkung der Aktivlegitimation (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Stimmen aus der Praxis zu Folge hatte dies bis- her auch eine Verringerung der Zahl der Abmahnungen zur Folge.18

III. Fazit

Nach übereinstimmender Ansicht stellt die PAngV-Novelle eine Vereinfachung des bisher geltenden Rechts dar, sowohl was Übersichtlichkeit als auch Lesbarkeit an- geht.19 Hinsichtlich der Einschränkung der Abmahnungen wurde von einzelnen Kom- mentaren kritisiert, dass dies eine Lücke im Rechtsschutz schaffen würde,20 sowie dass die Vereinbarkeit der PAngV-Pflichten mit solchen der UGP-RL nicht beachtet werden sollen, was die Rechtsanwendung im Rah- men des Lauterkeitsrechts erschweren würde.21

1 BGH 29.7.2021 – I ZR 135/20.

2 EuGH vom 29.6.2023 (C-543/21) Rn. 21.

3 EuGH vom 29.6.2023 (C-543/21) Rn. 25.

4 LG Hamburg Urt. v. 2.2.2023 – 403 HKO 102/22, GRUR-RS 2023, 7708 Rn. 29, 30; Sievers/Zschommler, GRUR-Prax 2023, 538.

5 LG Hamburg Urt. v. 2.2.2023 – 403 HKO 102/22, GRUR-RS 2023, 7708 Rn. 29.

6 LG München I, Anerkenntnis- und Endurteil vom 10.10.2022 – 42 O 9140/22 Rn. 68.

7 LG Düsseldorf, Urt. V. 11.11.2022 – 38 O 144/22 Rn. 65.

8 LG Düsseldorf, Urt. V. 11.11.2022 – 38 O 144/22 Rn. 68 ff.

9 LG Düsseldorf, Urt. V. 11.11.2022 – 38 O 144/22 Rn. 75 ff.

10 LG Düsseldorf, Urt. V. 11.11.2022 – 38 O 144/22 Rn. 73.

11 LG Düsseldorf, Urt. V. 11.11.2022 – 38 O 144/22 Rn. 73.

12 LG Düsseldorf, Urt. V. 11.11.2022 – 38 O 144/22 Rn. 86.

13 LG Amberg, 02.06.2023 – 41 HK O 856/22, S. 5.

14 Vgl. Bundesrat Drucksache 669/21 S. 40.

15 LG Amberg, 02.06.2023 – 41 HK O 856/22, S. 5.

16 LG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.2022 – 38 O 144/22 Rn. 86.

17 Begründung, BT-Drucks. 19/12084, S. 23.

18 Buchmann/Sauer, WRP 2023, 893, Rn. 7.

19 Sosnitza, GRUR 2022, 794; Barth GRUR-Prax 2022, 249.

20 Buchmann/Sauer, WRP 2023, 893, Rn. 6.

21 Barth, GRUR-Prax 2022, 249, 251.