I. Einleitung
In den letzten Jahren gab es große Fortschritte auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. Infolgedessen rücken insbesondere rechtliche Fragen stetig in den Vordergrund.
Auch im Patenrecht findet eine immer größere Auseinandersetzung mit KI statt. Auf der einen Seite ergeben sich infolge der steigenden Zahl von Patentanmeldungen für KI-bezogene Erfindungen viele Fragen zur Erfinderqualität von KI.1 Auf der anderen Seite wird die Problemlösung mithilfe von künstlicher Intelligenz zunehmend zur Normalität. So wenden auch Patentämter selbst immer mehr KI-basierte Programme an. Im Folgenden sollen die beiden Aspekte, insbesondere Letzterer, untersucht werden.
KI als Erfinder
Bereits viel diskutiert wurde über Erfin- dungen, bei denen KI-Systeme den gesamten Schaffensprozess übernehmen. Traditionell kann Erfinder nur eine natürliche Person sein, mit dem Argument, dass nur der menschliche Geist kreativ sein und dadurch Erfindungen hervorbringen kann.2 Mit der Entwicklung der künstli- chen Intelligenz hat sich dieses Bild je- doch gewandelt.
Gegen die Anerkennung von KI als eigen- ständigen Erfinder spricht, dass eine geistig-schöpferische Leistung notwendige Voraussetzung einer Erfindung ist. Dies lässt sich schon aus dem Sinn und Zweck des patentrechtlichen Erfinderbegriffs ableiten.3 KI-Erzeugnisse erfüllen die Anforderungen an den Schutzgegenstand eines Patents nicht.4 Insbesondere muss ein Erfinder als Rechtsträger zu interessenba- siertem Verhalten fähig sein, denn das Patentrecht lebt davon, dass Erfinder ihre technischen Innovationen mit dem Ziel der Zuordnung von Rechten veröffentlichen.5 Ein solcher Anreiz hat auf KI-Systeme keinerlei Einfluss.6
Nach dem deutschen Patentrecht ist somit weiterhin zwingend erforderlich, dass ein menschlicher Erfinder bei Anmeldung eines Patents benannt wird.7 Bestätigt wurde dies zuletzt vom BGH in seinem Beschluss vom 11. Juni 2024.8 Demnach kann ein Erfinder im Sinne von § 37 Abs. 1 PatG nur eine natürliche Person sein. Es ist jedoch möglich, bei einer hinreichenden Erfinderbenennung anzugeben, dass der Erfinder eine näher bezeichnete künstliche Intelligenz zur Generierung der Erfindung verwendet hat. Dies rechtfertigt dann nicht die Zurückweisung der Anmeldung nach § 42 Abs. 3 PatG.9
III. KI als Erfindung – Patentamtli- cher Einsatz von KI-Systemen
Weit weniger diskutiert wurden hingegen die Möglichkeiten, die sich durch die Anwendung von KI-Systemen in den Patentämtern selbst eröffnen.
1. Chancen
KI-Systeme können die Effizienz von Patenterteilungsverfahren deutlich steigern und damit dem Bedürfnis von schnellem Patenschutz gerecht werden.10 Es wird von einer Automatisierung des Patenterteilungsverfahrens gesprochen.11 Eingesetzt werden kann KI sowohl als Hilfsmittel für die Recherche, als auch als Entschei- dungsinstrument.12 So soll sie eigenständig und selbstlernend Entscheidungen treffen.
Eine Anwendung bietet sich insbesondere bei der Recherche (§ 43 PatG) und bei der Prüfung des Patents (§ 44 PatG) an.13 Auch bei der Patentklassifikation oder der Entscheidung, ob die technische Lehre neu im Sinne von § 3 PatG ist und auf erfinderischer Tätigkeit gemäß § 4 PatG beruht, kann der Einsatz von KI von großer Hilfe sein.14
KI-Systeme stellen eine Möglichkeit für schnellere und kostengünstigere Verfah- ren dar. So ist die vollständige Ermittlung des Sachverhalts (Vollständigkeitsentscheidungen) mit KI-Systemen effizient möglich.15 Auch zur Neuheitsprüfung kann sie eingesetzt werden, indem sie neu- heitsschädliche Entgegenhaltungen ermittelt.16 Die größte Stärke von KI ist jedoch die Auswertung großer Datenmengen in kürzester Zeit.17 Eine solch umfassende Recherche ohne technische Hilfsmittel wäre, ohne einen immens hohen zeitlichen und wirtschaftlichen Aufwand, wohl kaum möglich. Aus diesem Grund wird die Anwendung von künstlicher Intelligenz in den Patentämtern immer mehr willkommen geheißen.
2. Bereits vorhandener Einsatz von KI
Unter anderem wendet das Deutsche Pa- tent- und Markenamt softwarebasierte Klassifikatoren zur Unterstützung ihrer Prüfer an.18 Damit wird der Klassifizierungsprozess deutlich beschleunigt. Die KI-Systeme werden mit veröffentlichten Patentanmeldungen und erteilten Paten- ten sowie Gebrauchsmustern trainiert.19 Des Weiteren findet eine automatisierte Vorklassifizierung statt. Zusätzlich soll auch eine interaktive Klassifikation zur Unterstützung der Patentprüfer und Neu- klassifizierungen eine anhaltende Quali- tätsverbesserung ermöglichen.20
Auch das Europäische Patentamt setzt auf eine automatisierte Patentklassifikation.21 Insbesondere für die drei Kernprojekte „Verarbeitung natürlicher Sprache“, „Computer Vision“ und „maschinelle Übersetzung“ wird künstliche Intelligenz in den Bereichen Klassifizierung, Recher- che und maschinelle Übersetzung im Patenterteilungsverfahren angewendet.22 Vergleichsmaßstab für die KI bleibt dabei immer der Mensch.23
Zunächst wurden KI-Systeme hauptsächlich nur zur Patentklassifikation eingesetzt, jetzt unterstützen sie vermehrt auch bei der Recherche des Stands der Technik.
Dies könnte ein Mehr an verfügbaren Informationen für die Patentprüfer bedeuten und Rückschaufehler verringern.24 Sie soll zudem auch mehr Einsatz in der Sachprüfung finden, was bisher den Patentprüfern vorbehalten war.
Der Trend an den Patentämtern geht somit zu einem steigenden Einsatz von künstlicher Intelligenz. Dies führt auch dazu, dass KI einen immer größeren mittelbaren Einfluss auf Entscheidungen des Patent- amtes hat. So wird ein Patentprüfer über Sachlagen aufgrund der von KI-Systemen herausgefilterten Informationen wohlmöglich anders entscheiden als ohne ihren Einsatz.25
3. Grenzen und Risiken
Der Einsatz von KI sollte jedoch immer unter Beachtung ihrer Grenzen erfolgen. So muss sich mit ihren Ergebnissen kritisch auseinandergesetzt werden, ins- besondere da die für die Recherche erforderlichen Daten nicht immer in digitaler Form und damit in einer für KI-Systeme zugänglichen Weise vorliegen. Es kann daher keine Vollständigkeit der Recher- cheergebnisse garantiert werden.26
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass der Fokus zu sehr auf den Vorteil der Effizienz von KI gerichtet werden und dabei die Notwendigkeit menschlichen Handelns aus dem Blick geraten könnte. Dies ist jedoch gerade bei der Erteilung von Patenten aufgrund ihrer Entfaltung einer Ausschlusswirkung gegenüber Dritten besonders wichtig.27 Diese Gefahr kann auch nicht durch das Argument einer nachträglichen gerichtlichen Kontrolle ausgeräumt wer- den.28
Gedanken, die sich beim Einsatz von KI im Patenterteilungsverfahren gemacht wer- den müssen, sind – wie auch bei ihrer sonstigen Anwendung – welche Entscheidungshoheit der Mensch neben der KI noch hat sowie wie mit Fehlern im Algorithmus umgegangen werden muss; zu schweigen von grundsätzlichen rechtsstaatlichen und demokratischen Bedenken.29
Somit ist durch de n Einsatz von KI-Systemen zwar die Beschleunigung des Patenterteilungsverfahrens möglich, aber eine kritische Auseinandersetzung mit dessen Entscheidungen weiterhin erforderlich.
IV. Fazit
Das Ziel des Patentrechts ist die Weiterentwicklung des gesellschaftlichen technischen Fortschritts.30 Dabei kann KI im Patenterteilungsverfahren eindeutig helfen. Eine stärkere Einsetzung von KI im Patentamt ermöglicht effizienteres Arbeiten sowie schnelles Reagieren auf technische Innovationen. Problematisch bleibt, dass KI-Systeme nur Zugriff auf digitalisierte Dokumente haben, weswegen ihre Ergebnisse unvollständig sein können. Daher wird weiterhin eine Aufsicht über ihre Entscheidung durch Menschen benötigt. Die KI kann nur als Hilfsmittel für die Patentprüfer dienen.
Durch ihren vermehrten Einsatz wirkt sich die KI auch zunehmend mittelbar auf Entscheidungen aus. So verwischt die Vorbereitung einer Entscheidung immer mehr mit dem tatsächlichen Treffen der Entscheidung. Sie kann also durchaus einen Teil der Arbeit ersetzen, die bislang aus- schließlich menschlichen Experten wie Patentprüfern oder Richtern überlassen war.31 Für einen sicheren Umgang wird eine klarstellende Regulierung über den Einsatz von KI-Systemen im Patenterteilungsverfahren jedoch dringend benötigt.
1 Krausen, GRUR 2023, 841 (842).
2 Nägerl/Neuburger/Steinbach, GRUR 2019, 336 (340).
3 Krausen, GRUR 2023, 841 (843).
4 Krausen, GRUR 2023, 841 (843).
5 Krausen, GRUR 2023, 841 (843).
6 Nägerl/Neuburger/Steinbach, GRUR 2019, 336 (340).
7 BPatG GRUR 2022, 1213; Apel, RDi 2024, 109 (110).
8 BGH, Beschl. v. 11.06.2024 – X ZB 5/22.
9 Ebd.
10 Werner, GRUR-Prax 2024, 57 (57).
11 Krausen, GRUR 2023, 841 (842).
12 Werner, GRUR-Prax 2024, 57 (57).
13 Werner, GRUR-Prax 2024, 57 (57).
14 Werner, GRUR-Prax 2024, 57 (57).
15 Werner, GRUR-Prax 2024, 57 (58).
16 Werner, GRUR-Prax 2024, 57 (58).
17 Nägerl/Neuburger/Steinbach, GRUR 2019, 336 (338).
18 Krausen, Künstliche Intelligenz als Erfindung und Erfinder, 320.
19 Krausen, Künstliche Intelligenz als Erfindung und Erfinder, 320.
20 Krausen, Künstliche Intelligenz als Erfindung und Erfinder, 319; WIPO, Index of AI initiatives in IP offices, Eintrag: Germany (Fn. 250, C. VI.).
21 https://www.epo.org/en/news-events/in- focus/ict/artificial-intelligence (zul. aufgerufen: 08.07.2024).
22 https://www.epo.org/en/news-events/in- focus/ict/artificial-intelligence (zul. aufgerufen: 08.07.2024).
23 Krausen, Künstliche Intelligenz als Erfindung und Erfinder, 319.
24 Krausen, Künstliche Intelligenz als Erfindung und Erfinder, 320.
25 Nägerl/Neuburger/Steinbach, GRUR 2019, 336 (338).
26 Krausen, GRUR 2023, 841 (848).
27 Krausen, GRUR 2023, 841 (848).
28 Werner, GRUR-Prax 2024, 57 (59).
29 Mund, Das Recht auf menschliche Entscheidung, 207.
30 Krausen, GRUR 2023, 841 (848).
31 Nägerl/Neuburger/Steinbach, GRUR 2019, 336 (341).